Am bundesweiten Tag des offenen Denkmals unter dem Motto »KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz« haben der Museums- und Geschichtsverein und das Stadtarchiv Schramberg ein Kolloquium zur Vorstellung der Falkensteiner Kapelle organisiert.
Auf Initiative des Ehrenvorsitzenden des Museums- und Geschichtsvereins, Martin Maurer, bildet sich derzeit ein Förderkreis, der sich mit der Eigentümerfamilie und den Denkmalbehörden des kritischen Zustands der Falkensteiner Kapelle annehmen will. Annette Fuchs, Vorsitzende des Museums- und Geschichtsvereins, würdigte in ihrer Begrüßung die besondere Bedeutung der Kapelle und der darin enthaltenen Holzskulptur als Kulturdenkmäler in Schramberg. In den Reihen der Kirchenbänke lag das neueste Exemplar der Serie »Postkarten des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg« mit dem Motiv eines bisher unbekannten Gemäldes der Falkensteiner Kapelle aus. Stadtarchivar Carsten Kohlmann spannte in seinem Vortrag zur Geschichte der Falkensteiner Kapelle einen interessanten Bogen von der ersten Erwähnung einer Kirche im Falkenstein 1275 über die Zerstörung der Kapelle im Dreißigjährigen Krieg und den Wiederaufbau 1756 bis hin zum Erwerb der Kapelle durch die Grafen von Bissingen und der Errichtung einer Familiengruft. Bei der Zerstörung der Kapelle im Dreißigjährigen Krieg wurde vermutlich auch die gesamte Ausstattung darin vernichtet. Aus diesem Grund, so berichtet Kohlmann, hätten sich die Verantwortlichen bei der Planung des Wiederaufbaus 1755 dazu entschieden, alle Altarbilder neu anfertigen zu lassen. Die unterschiedlichen Kunstwerke, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts fotografisch dokumentiert wurden, seien daher wahrscheinlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die Kapelle gelangt. Lange zierte das Bild des Kirchenpatrons St. Erasmus den Altar, bis Graf Cajetan von Bissigen im Zuge der Errichtung einer Gruft auch die restliche Kapelle renovieren ließ. Fortan zierte das ehemalige Hochaltarbild den rechten Seitenaltar.
Trost in Kriegszeiten
Im gleichen Zuge wurde die Beweinung Christi vom Seitenaltar in den Hochaltar versetzt. Kohlmann berichtete von der Vermutung, dass die Beweinung ursprünglich aus der gotischen Dominikanerkirche in Rottweil stammt und bei deren Barockisierung ab 1753 entfernt wurde. Die Skulptur stamme vermutlich aus der Zeit des Übergangs zwischen Gotik und Renaissance. Im Zweiten Weltkriegs habe die »Schmerzhafte Muttergottes<< aus der Beweinung vielen Schrambergern Trost gespendet. Beim Näherrücken der Front 1945 hätten zahlreiche Gläubige um den Beistand der Gottesmutter gebeten. Als Dank für das Verschonen der Stadt wurde die Schmerzensmutter im Rahmen eines Dankgottesdienstes Ende April 1945 zur Schutzpatronin der Stadt Schramberg ernannt. Kunstwissenschaft-Studentin Lara Inge Kielbassa nahm die Besucher mit auf eine kleine Entdeckungsreise durch die Falkensteiner Beweinung. Nach einer Beschreibung der Figuren sowie nützlichen Fakten und Daten zum Werk erläuterte sie die Unterschiede zwischen dem Motiv der Beweinung und dem der Pieta. Die Skulptur zeigt fünf Figuren, die den Tod Jesus Christus beweinen. Darunter sind neben der Muttergottes der Jünger Johannes sowie Maria Magdalena und Maria Kleophae zu sehen. Jede der fünf Figuren kommt in der Komposition eine bestimmte Bedeutung zu. Kielbassa machte ihre Zuhörer darauf aufmerksam, wie komplex die Figuren im Raum angeordnet seien. Dabei schlug sie vor, den Raum in vier statt nur zwei Ebenen aufzuteilen. Demnach würden sich Johannes und die drei Marien-Figuren nicht auf einer, sondern auf drei verschiedenen Ebenen befinden, die leicht versetzt zueinander angeordnet sind. Jede der Figuren, außer der Muttergottes, durchbrechen diese Ebenen auf irgendeine Art.
Meister der Beweinung
In der gemeinsamen Analyse der Gestaltung der Skulptur wurde deutlich, das der Muttergottes eine besondere Rolle in der Komposition zukommt. Sie ist die einzige Figur, die nicht aktiv eine der anderen Figuren oder den Leichnam ihres Sohnes berührt. Kielbassa zeigte den Gästen die verschiedenen geografischen Formen, die in der Skulptur zu erkennen sind und meist nicht direkt auf den ersten Blick als solche identifiziert werden. Zudem verglich sie die Figuren der Maria Muttergottes und der Maria Kleophae, die sich zwar in ihrer Haltung ähneln, jedoch große Unterschiede, etwa in ihrer Mimik, aufweisen. Vor allem die Lebendigkeit in den Gesichtern der Figuren sowie die Variationen im Ausdruck der Trauer und der Haptik der Berührungen faszinierte die Besucher. Kielbassa schlug vor, zugunsten des Werks eine Zuschreibung zum Rottweiler Bildhauer Conrad Rötlin kritisch zu hinterfragen und beim Künstler stattdessen vom Meister der Falkensteiner Beweinung zu sprechen.
Im Anschluss an die beiden Vorträge informierten Architekt Alfons Bürk und Restaurator Peter Volkmer über die Möglichkeiten und Methoden der Sanierung eines Baudenkmals. Anschaulich vermittelten sie den Gästen die Notwendigkeit einer Sanierung. Mit einem Foto verdeutlichte Bürk die Schäden im Dachstuhl -ein wichtiger Strebebalken sei komplett durchgefault. Mit der nun vorhandenen denkmalschutzrechtlichen Genehmigung sei es möglich, mit den Arbeiten am Äußeren der Kapelle zeitnah zu beginnen. Bei der Abnahme der oberen Schichten des Putzes kamen eine Seitentür sowie seitliche Strebebalken zum Vorschein, die darauf hindeuteten, dass der Chor einst überwölbt war. Die Fassadensicherung soll in den kommenden Monaten erfolgen, so Bürk. Im kommenden Jahr stünden dann Arbeiten am Dach und der Fassade auf dem Plan. Volkmer berichtete über die Handlungsschritte bei der Sanierung der Fassade, dem Abnehmen des alten Putzes und dem Herstellen einer ursprünglichen Fassung der Außenfassade. Schon bei seiner Untersuchung der Kapelle 2016 habe sich der Putz außen gelöst. Nun sei nach der Abnahme des groben, leicht rosastichigen Putzes ein schöner Putz mit aufgemalten Quadern an den Ecken hervorgekommen.
Förderkreis vor Gründung Als alle Redner ihre Vorträge beendet hatten, ließ es sich Martin Maurer nicht nehmen, sich spontan noch einmal bei allen Verantwortlichen für die Veranstaltung des Kolloquiums zu bedanken. Er lud alle Interessierten dazu ein, an der Gründung des Förderkreises am Montag, 26. September, teilzunehmen. Die Einrichtung des Förderkreises solle nur vorübergehend sein und dem Ziel dienen, Spenden zu sammeln. Zurzeit würden gemäß dem Finanzierungsplan 30.000 Euro angestrebt. Ein durchaus machbares Ziel, glaubt Maurer. Anschließend ließen die Gäste und Veranstalter die Veranstaltung bei einem Glas Sekt, einer ausführlichen Betrachtung der Falkensteiner Beweinung und Diskussionen um das Kulturdenkmal gemeinsam ausklingen.
Artikel und Bild: Schwarzwälder-Bote